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Kainz, Friedrich. Sprachtheorie – T03

Geleitwort

Wenn der Verlag die 1934 erschienene „Sprachtheorie” K. Bühlers neu
herausbringt, so handelt es sich dabei keineswegs bloß um einen Akt
der Pietät, mit welchem ein hochverdienter Gelehrter nach seinem Hinscheiden
geehrt werden soll, sondern um ein sachlich voll gerechtfertigtes
Unternehmen, das dem Verlag den Dank aller am Problem
„Sprache” Interessierten — von den Linguisten an bis zu den Sprachpsychologen,
-Soziologen und -philosophen — sichert. Denn bei diesem
Buch hat man es mit einem wahrhaft klassischen Werk seines Sachgebietes
zu tun, das über den Zeitpunkt seiner Entstehung hinaus Geltung
beanspruchen kann, weil es nicht nur eine Fülle weitschauend ermittelter
Forschungsaspekte bringt, deren Ergiebigkeit von der späteren Arbeit
auf dem gleichen Themengebiet zur Gänze bestätigt wurde, sondern
auch eine beträchtliche Zahl bündiger und endgültiger Einsichten
und Formulierungen, die in den gesicherten Ergebnisbestand der
Sprachtheorie eingegangen sind und ohne welche die gesamte spätere
Forschung kaum zu denken gewesen wäre. Eben wegen des darin enthaltenen
Bestandes an heute noch und bleibend gültigen Sätzen rechtfertigt
sich die Tatsache, daß nicht eine „auf den neuesten Stand der
Forschung” gebrachte Bearbeitung vorgelegt wird, sondern ein unveränderter
Abdruck des Textes der ersten Auflage. Karl Bühler selbst hat bei
Neuherausgabe der „Psychologie” von Ebbinghaus das Motto gewählt:
„Sit ut est, aut non sit.” Eben dieser Satz könnte auch über diesem
Neudruck stehen, weil die entscheidenden Ergebnisse dieses Standardwerks
durch Ergänzungen und Modifikationen in peripheren und Randbereichen
ihre Gültigkeit nicht verloren haben und die heuristische Ergiebigkeit
der meisten seiner originellen Konzeptionen heute noch genauso
besteht wie vor dreißig Jahren.

Als zur Feier von Bühlers achtzigstem Geburtstag die „Zeitschrift für experimentelle
und angewandte Psychologie” eine Festnummer herausbrachte,
da, leitete ich meinen Beitrag mit einigen Sätzen ein, die hier
wiederholt seien, weil sie etwas Wesentliches hervorheben. „Karl Bühler
hat in vielbeachteten Arbeiten zur Sprachtheorie nicht nur eine Fülle gesicherter,
die Forschung entscheidend beeinflussender Erkenntnisse erbracht,
sondern auch zahlreiche höchst wertvolle Anregungen gegeben,
die methodisch wie thematisch gleicherweise von Wichtigkeit sind. So hat
er auch unter anderem das Programm einer vergleichend-genetischen
Sprachpsychologie entworfen, indem er ständig die Verhältnisse in der
Ontogenese der Sprache zu Erhellungszwecken herangezogen, den Kommunikationssystemen
der Tiere Aufmerksamkeit zugewendet, vielfach
ethnologische Forschungsergebnisse verwertet und schließlich mit programmatischem
Nachdruck die Erwartung ausgesprochen hat, es würden
durch Einbeziehen des pathologischen Materials der zentralen
Sprachstörungen entscheidende Bestätigungen der von der Normalpsychologie
der Sprache getroffenen Feststellungen genetischer, funktionsund
Vgebildeanalytischer Art zu gewinnen sein.” Diese Sätze leiteten
eine Abhandlung aus dem Themenbereich der vergleichend-genetischen
Sprachpsychologie ein und hoben daher besonders hervor, was Bühler
für diese Partialsparte sprachpsychologischer Forschungsarbeit an fördernden
Anregungen erbracht hat. Indes wäre die Liste der sprachtheoretischen
Problembereiche, auf denen Bühler neue Wege wies und auf
ihnen führend voranging, noch sehr viel ausführlicher zu halten gewesen,
da es kaum ein Problemgebiet im Fragenkosmos der Sprache und
ihrer Erforschung gibt, das nicht durch Bühlers Standardwerk zumindest
blicköffnende Hinweise erhalten hätte.

Wir haben es eingangs abgelehnt, den Neudruck der „Sprachtheorie”
lediglich als einen Tribut der Verehrung an einen dahingegangenen Forscher
anzusprechen, wollen aber damit nicht bestritten haben, daß die
Neuherausgabe auch unter dieser Zielsetzung zu rechtfertigen wäre.
Denn Bühler gehörte in den Jahren zwischen 1915 bis gegen 1940
zu den markantesten und profiliertesten Forscherpersönlichkeiten unter
den deutschen Psychologen, und zwar darf man ihn zu denjenigen zählen,
auf denen das internationale Ansehen der deutschen Psychologie
beruhte. Als Psychologe war er zunächst auf dem Gebiet der Denkpsychologie
tätig, wo er Anregungen seines Lehrers O. Külpe, des Hauptes
der Würzburger Schule, schöpferisch und eigenständig weiterführte;
daß er gerade auf diesem Gebiet seine neuen Zielstellungen und Methoden
sogar gegen die damals bereits zwar etwas obsolet anmutenden, dafür
mit umso größerer Autorität gestützten Gegenargumente des Altmeisters
der deutschen Psychologie, Wilhelm Wundt, durchzusetzen
wußte, spricht für die Fruchtbarkeit der weitaus moderneren Bühlerschen
Thesen und verifiziert den alten Satz: „Tantum valet auctoritas quantum
rationes.” Weitere Arbeitsgebiete Bühlers waren damals die Wahrnehmungs-,
Entwicklungs- und Kinderpsychologie, vorab aber die Gestalttheorie.
Auf dem letztgenannten Forschungsgebiet erkannte er von Anfang
an die Ergiebigkeit der von Chr. v. Ehrenfels aufgestellten programmatischen
Thesen, ohne indes ihre Grenzen zu verkennen, was man den
Gestaltpsychologen im engeren Sinne (Wertheimer, Köhler, Koffka) doch
wohl wird vorwerfen müssen. Sieht man von der Wahrnehmungspsychologie
— etwa dem Werk über die „Erscheinungsweise der Farben”
— ab, so kann man sagen, daß der größte Teil von Bühlers allgemein
psychologischen Arbeiten mit dem Problem Sprache in enger und direkter
Verbindung steht oder doch auf dasselbe hinzielt, seine Theorie der
Sprache somit auch Aufschlüsse über seine allgemeinpsychologische Position
vermittelt. Wer über diese informiert sein will, wird um das Studium
des vorliegenden Werks nicht herumkommen, selbst wenn ihm
primär sprachtheoretische Interessen nicht eigentlich naheliegen. So
bringt das Buch „Die geistige Entwicklung des Kindes” wichtige Beiträge
zur Kenntnis der Frühstadien des Spracherwerbs, und seine „Ausdruckstheorie”,
die in glücklicher und origineller Weise das System der
Ausdruckstatsachen auf deren Forschungsgeschichte projiziert und von
dieser abliest, enthält Entscheidendes über die expressive Funktion der
Sprache, die in dem von ihm entworfenen „Organonmodell” derselben
eine wichtige Stelle besetzt, was gegenüber dem von G. Révész unternommenen
VIVersuch einer Ausschaltung der „interjektiven Funktion”
der Sprache aus dem Gefüge ihrer Leistungen besonders betont werden
muß. Bühler hat hier richtiger gesehen als der genannte Amsterdamer
Psychologe. Bühlers Buch über die „Krise der Psychologie”, das mit
einer aus souveräner Kenntnis der Materie erwachsenden Meisterschaft
die in der Psychologie der letzten Jahrzehnte zu Geltung und
Wirksamkeit gelangten Forschungstendenzen schildert, exemplifiziert
diese zu einem sehr wesentlichen Teil an sprachtheoretischem Material.
Besonders bemerkenswert ist hier seine Kontrasterhellung der Sprache
und ihrer Zeichennatur durch einen Vergleich mit den stoffgebundenen
und situationsverhafteten, somit des echten Symbolcharakters entbehrenden
Kommunikationsformen der Tiere. Dazu kommt, daß sein Aufweis
der möglichen und in der Realität der Forschung auch tatsächlich
zu belegenden Dreiheit der psychologischen Forschungsgesichtspunkte
— des erlebnispsychologischen, behavioristisch-verhaltenstheoretischen
und des werk- und leistungspsychologischen — gerade der Sprachpsychologie
unserer Tage neue Möglichkeiten und Wege erschlossen hat, Wege,
die er selbst nicht beschritten, wohl aber in aller Deutlichkeit gezeigt
hat. Wenn sein Schüler E. Brunswik — Bühlerschen Anregungen folgend
— eine „Psychologie vom Gegenstand her” inauguriert hat, so ist damit
auch das Programm eines neuen Teilsektors der Sprachpsychologie
entworfen, dessen Ergiebigkeit noch gar nicht abzusehen ist, aber dadurch
als gewährleistet angesehen werden darf, daß aktuelle Richtungen
in der Sprachforschung damit konvergieren., d. h. auf das gleiche Ziel
ausgerichtet sind. Was hier angedeutet wird, ist eine Psychologie der
Einzelsprachen, die diese als Werk, Spiegel, Ausdruck und Niederschlag
der Geistigkeit eines Volkstums erfaßt, das diese Sprache geschaffen hat,
trägt und verwendet. Der Verfasser dieses Vorworts bekennt freimütig, daß
er entscheidende Anregungen zu seiner „Psychologie der Einzelsprachen”,
die den V. Band seiner „Psychologie der Sprache” bildet, von
Bühlers Werk- und Leistungsaspekt sowie seinen Argumentationen,
die eben diesen Gesichtspunkt als legitimes Thema der Psychologie erweisen,
erhalten hat. Besonders eng wird die Verzahnung zwischen allgemeinpsychologischer
und sprachtheoretischer Forschungsarbeit in Bühlers
bahnbrechenden Arbeiten zur Denkpsychologie, was bei der wesenhaften
Beziehung, die zwischen Denken und Sprache bestehen, natürlich
und notwendig ist. Hier wird seine Konzeption der Vorstellungsschemata
sowie die damit zusammenhängende Theorie der Konstellationen
für die auf ihn folgende Erforschung der Denkstrukturen und
ihrer sprachlichen Bindung von entscheidender Bedeutung. Es gibt
mehrere Werke über dieses Thema, die ohne Bühlers initiierende Thesen
nicht möglich gewesen wären. Als einziger Beleg sei hier R. Graßlers Buch
„Der Sinn der Sprache” genannt.

Gipfelt Bühlers psychologische Forschung in seinen Arbeiten sprachtheoretischen
Inhalts, so ist das hier neu aufgelegte Werk der Abschluß
und Gipfel einer Reihe spezieller Untersuchungen, die insgesamt um das
Problem Sprache kreisen und dieses von verschiedenen Gesichtspunkten
aus anvisieren. Diese sprachtheoretischen Arbeiten beginnen mit einer
viel Eigenes enthaltenden ausführlichen Besprechung von A. Martys
VII„Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und
Sprachphilosophie”, wobei diese höchst produktive Auseinandersetzung
über den Rahmen und .Charakter einer landläufigen Rezension weit hinausgeht
und das Gepräge einer „kritischen Mitarbeit” — der Nachdruck
ist hier auf das Epitheton distinguens zu legen — gewinnt. Sodann folgt
ein ausführlicher Vortrag auf dem 3. Kongreß für experimentelle Psychologie
„Über das Sprachverständnis vom Standpunkt der Normalpsychologie”.
Dieser sehr viel Neues bringende Forschungsbericht bildet
das Gegenstück zu einem Vortrag des Prager Neurologen und Psychiaters
A. Pick, des Vertreters der neurologischen Richtung in der Psychiatrie,
der das Sprachverständnis vom Standpunkt des Sprachpathologen aus
schildert, vorab in bezug auf die Abbau- und Reduktionsformen dieser
Leistung im Gefolge der zentralen Sprachstörungen, wie sie unter der
Bezeichnung „sensorische Aphasie” bekannt sind. Bühlers scharfsichtige
Analyse der Aktionsgenese und Prozeßstruktur dieser Leistung innerhalb
der Sprache als menschlicher Tätigkeit läßt sehr wohl erkennen, daß
Bühler von den Interessen des Mediziners an die Sprache herantrat, obwohl
er — wie dies ja seine Aufgabe war — diese Aktionssparte innerhalb
der Sprach-Energeia vom Standpunkt des Sprachnormalen, d. h.
des zur Erfüllung durchschnittlicher sprachlicher Aktionsanforderungen
voll Gerüsteten und Befähigten aus auf ihre generelle Gesetzlichkeit hin
betrachtete. Der genannte Vortrag hat durchaus sprachpsychologischen
Charakter, und dieser Umstand verdient gesonderte Hervorhebung, weil
die folgenden Arbeiten Bühlers über die Sprache den Boden der Sprachpsychologie
mehr und mehr verlassen oder — besser gesagt — die psychologische
Betrachtungsweise durch Hereinnahme anderer Forschungsaufgaben
und -methoden ausweiten und anreichernd umgestalten. Das
Ergebnis dieser Bestrebungen ist dann die „Sprachtheorie”. Bühler selbst
hat in zahlreichen Gesprächen, die er während der Abfassung seines
Hauptwerks mit mir führte, es ausdrücklich abgelehnt, dieses als Sprach-„psychologie”
zu deklarieren es: wollte entscheidend anderes und
mehr, indem es die psychologische Analyse der Sprache als Tätigkeit und
Funktion des sprachverwendenden Menschen durch eine auf das Wesen
der Sprache als symbolische Form abgestellte axiomatische Prinzipienbetrachtung
und ontozentrische Gebildeanalyse überhöhte. Was ihm am
Herzen lag, war nach seinem eigenen Wort eine „objektive Sprachbetrachtung”,
mit der er die in den Werken Wundts und Dittrichs zur vollen
Ausprägung gelangenden subjektiv-psychologisierenden Tendenzen der
Sprachbetrachtung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ablösen
wollte. Den Ausdruck „Wesen der Sprache” hätte Bühler freilich nicht
gern gehört, weil er ihm durch den ούσια -Begriff platonisch-aristotelischer
Tradition metaphysisch vorbelastet und mit allzu ungeklärten
Voraussetzungen erfüllt erschien. Aber diese zweifellos vorhandenen Gefahren
lassen sich — eben unter Verwendung und Berücksichtigung seiner
Einwände und Vorbehalte — vermeiden, und unter diesem kritischen
Aspekt bleibt der Terminus „Wesen der Sprache” weiterhin verwendbar.
Denn der Sprachtheorie geht es um die Beantwortung der Frage:
Was ist das Entscheidende an der Sprache, welche essentiellen Züge ihrer
Organisation setzen sie instand, ihre mannigfaltigen Leistungen als
VIIIWerkzeug alles kulturellen Schaffens zu vollbringen? Zweifellos ist sie ein
System von Zeichen, und eben darum konnte — auf Grund der fundamentalen
These von der Zeichennatur der Sprache — für sie als szientifisches
genus proximum eine allgemeine Symboltheorie und Zeichenlehre
(Sematologie) als übergeordnete Wissenschaft postuliert und inauguriert
werden. Aber daneben fehlt die nicht minder entscheidende
differentia specifica, welche die sprachlichen Gebilde zu Zeichen eigener
Art werden läßt, keineswegs. Die Sprache ist ein Gefüge von Zeichen mit
einer besonderen Gebilde- und Leistungsstruktur, ein produktives Zeichensystem,
das seine Produktivität, die es für sämtliche Darstellungsaufgaben
tauglich macht, der Kombination seiner Semanteme mit Feld- und
Anordnungswerten verdankt, ein Zweiklassensystem von lexikalischen
Bedeutungsträgern und syntaktischen Faktoren wie etwa Wortfügung
und -Stellung. Dem Feldbegriff, der in der Semantik und Semasiologie
unserer Tage (z. B. in J. Triers Wortfeldforschung, bei L. Weisgerber und
in der inhaltbezogenen Sprachbetrachtung) eine sehr große Rolle spielt,
hat Bühler eine vorgreifende Analyse zuteilwerden lassen, durch welche
die Phänomene der Feldeinbettung und des Feldwerts sowie des Stellenwerts
in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Sonderstruktur der
Sprachzeichen herausgestellt werden. Es muß als besonderes Verdienst
der Bühlerschen Sprachtheorie gelten, daß sie durch die Subsumtion der
Sprache unter den Zeichenbegriff — mit welcher sie eine Entdeckung
F. de Saussures weiterführend aufgreift — für eine Wesens- und Leistungsbetrachtung
der Sprache einen ergiebigeren Ausgangspunkt und
Start schafft, als ihn Wundts Unterordnung der Sprache unter den Begriff
der Ausdruckstatsachen geboten hatte. Der Anschluß an den eben
genannten französisch-schweizerischen Sprachforscher kommt besonders
deutlich zur Geltung in dem schöpferischen Aufgriff der Scheidung
von „langage” (Sprache schlechthin) in „langue” (Einzelsprache, die
Strukturalisten würden hier von „Sprachsystem” sprechen) und „parole”
(Rede, Sprechhandlung). Was Bühler an Hand dieser Begriffsund
Phänomen-Analyse gewinnt, ist der Aufweis eines „Strukturmodells”
der Sprache, dem er in den „Travaux du Cercle Linguistique de
Prague” eine programmatische Abhandlung gewidmet hat. Im Rahmen
dieser Veröffentlichungen ist noch manches andere erschienen, was
als vorbereitende Skizze oder als Karton zu dem monumentalen Fresko
seines Hauptwerks gefaßt werden kann. So etwa die Abhandlung „Phonetik
und Phonologie”, die auch deshalb Erwähnung verdient, weil sie
für die Entstehungsgeschichte der „Sprachtheorie” und die angemessene
Bewertung gewisser darin enthaltener neuer Erkenntnisse von Bedeutung
ist. Der Verfasser dieses Vorworts hatte das Glück, mit dem Schöpfer
und Begründer der Phonologie, dem Fürsten N. Trubetzkoy, der
mehrere Jahre hindurch als Ordinarius für Slavistik an der Wiener Universität
wirkte, in Berührung zu kommen und mit ihm vielfach Gespräche
über gemeinsame Interessen zu führen. Noch ungleich enger und fruchtbarer
war indes der Kontakt, der sich zwischen diesem großen Linguisten
und Karl Bühler herausbildete. Dieser erkannte sofort die Bedeutung,
welche der Entdeckung Trubetzkoys — von einer solchen darf und
muß man sprechen, denn was der manchmal als Begründer der Phonetik
IXund des Phonembegriffs namhaft gemachte, in Polen wirkende Sprachforscher
Baudouin de Courtenay auf diesem Gebiet geschaffen hatte, war
im Vergleich mit der Leistung Trubetzkoys doch nur Vorbereitungsarbeit
— nicht nur für die Linguistik zukam, deren lautwissenschaftlicher
Sektor durch die Konzeptionen des diakritischen Lautmals, des Signalwerts
der Laute, der Lautabsichten, der phonologischen Oppositionen usw.
entscheidende Forschungsanstöße gewann, sondern auch für die Sprachtheorie.
Was aus dieser Konzeption an sprachtheoretischen Neu-Einsichten
herauszuholen war, hat Bühler sofort und mit scharfem Blick erkannt.
Ein wesentlicher Teil des Neuen, das er zur Theorie des sprachlichen Zeichens
beizusteuern vermochte, sein so fruchtbarer Begriff der „abstraktiven
Relevanz”, der in der Axiomatik der Sprachwissenschaft eine entscheidende
Rolle spielt und gerade am Tatbestand der Phonologie aufgewiesen
und erläutert zu werden vermochte, die erhellende Konzeption
der „Stoffentgleisung” und darüber hinaus das Abstraktionsproblem
als solches — alles das sind Auswirkungen der Befruchtung der
Sprachtheorie durch Leitgedanken der Phonologie, wobei aber ausdrücklich
vermerkt werden muß, daß nur eine wissenschaftliche Potenz
von kongenialer Schöpferkraft diese Anregungen aufzugreifen und in
dieser Weise zu verwerten imstande sein konnte. Solcherart wird die
Begegnung von Phonologie und Sprachtheorie zur Leistungssymbiose
zweier Disziplinen und ihrer Vertreter, zu einer Werkgemeinschaft, die
beiden Partnern zum Vorteil gereicht, denn auch die Phonologie hat von
der Sprachtheorie profitiert.

In der Ära des sprachwissenschaftlichen Positivismus der Junggrammatiker
hatte einer der weitestblickenden unter ihnen, der Germanist
Hermann Paul, ein Werk geschrieben, das den Titel „Prinzipien der Sprachgeschichte”
trug. Bühler kannte dieses Buch und schätzte es, verwertete
seine Ergebnisse auch mehrfach, aber was er plante, sollte doch anders
aussehen. Seine sprachliche Kategorialanalyse, die letztlich zu einer Axiomatik
der Sprachwissenschaft weitergeführt werden sollte, mußte die positivistischen
Engen ebenso vermeiden wie die Unzulänglichkeit des relativ
simplen assoziationspsychologischen Fundaments, auf dem Paul seine
Prinzipienlehre errichtet hatte. Zudem galt es den neuen Forschungsaspekten
Rechnung zu tragen, die inzwischen in Linguistik und Sprachphilosophie
zur Geltung gelangt waren. Aber neben diesen Verschiedenheiten
bestehen auch Gemeinsamkeiten; eine davon ist die, daß eine empirisch-grammatische
Problemstellung nicht aus den Augen verloren werden
sollte. Damit ist auch der Übergang zum Folgenden gefunden. Was
Bühler daran hinderte, seine „Sprachtheorie”, die tatsächlich eine zu
den Grundkonstitutiven der Sprache vordringende Wesensbetrachtung
ist, als Lehre vom Wesen der Sprache zu bezeichnen, war außer der bereits
erwähnten Scheu vor gewissen metaphysischen Vorbelastungen des „Wesens”-Begriffs
noch der Umstand, daß er es vermeiden wollte, durch ihn
mit der Phänomenologie Husserls, wo dieser Begriff eine zentrale Rolle
spielt, in allzu nahe Nachbarschaft zu treten. Nicht daß er es a limine
ablehnte, mit dieser philosophischen Richtung in Berührung zu kommen
oder daß er eine Auseindersetzung mit ihr gescheut hätte. Zwar hielt
er Husserls Konzept einer allgemeinen und apriorischen Grammatik für
Xundurchführbar, war aber im übrigen der Ansicht, daß in der Sprachlogik
des Genannten eine Reihe wertvoller, auch von der Sprachtheorie wohl
zu nutzender Forschungsansätze vorhanden sei. Darum wurden in Bühlers
Institut eindringende Husserl-Studien getrieben, und manches davon ist
auch in die „Sprachtheorie” eingegangen, allerdings mit jener eigenund
selbständigen Weiterbildung, mit der Bühler fremde Anregungen
zu introzipieren pflegte. Bühler ist sogar durchaus aufgeschlossen für
alle oder doch sehr viele der zukunftsträchtigen Impulse innerhalb der
modernen Sprachwissenschaft, Philosophie und Psychologie. Darum vermittelt
ein Studium der „Sprachtheorie” zugleich auch einen förderlichen
Überblick über zahlreiche Leittendenzen, welche die damalige
Sprachforschung beherrschten, verbunden mit fruchtbaren Weiterbildungen,
die dazu führten, daß manches, was die spätere Wissenschaft mit
einseitiger Verabsolutierung in den Vordergrund stellte, in Bühlers Werk
bereits in vorwegnehmender Präformation vorlag. Mit vollem Recht
konnte daher H. Rohracher in seinem Nachruf auf Karl Bühler (Almanach
der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 114. Jahrgang
S. 321 ff.) sagen: „In viel zu bescheidener Weise hat Bühler in seinem
letzten veröffentlichten Buch darauf hingewiesen, daß die kybernetische
Modellbildung und die Ansätze zur Informationstheorie, die heute in
der Psychologie und Physiologie so hohes Ansehen genießen, in seiner
Sprachtheorie vorgebildet sind; dort wurde bereits das ‚Zweiersystem
von Sender und Empfänger’ beschrieben und die Tatsache der ‚Steuerung’
in ihrer biologischen Funktion sehr genau analysiert. Die heutigen Informationstheoretiker,
die das lebendige Geschehen zugunsten des technischen
Modells weitgehend ignorieren, könnten viel daraus lernen.”
Manche der heute aktuellen Forschungsrichtungen aber haben de facto
von Bühler Entscheidendes gelernt und übernommen. So verdanken
etwa die „General Semantics” von Adam Schaff, die Erkenntnislehre
unserer Tage (V. Kraft), ja ein nicht geringer Teil der modernen Philosophie,
die in einer kritischen Analyse des Erkenntniswerkzeugs Sprache ihr
vordringlichstes Anliegen zu erblicken geneigt ist, dem Werk Bühlers
fruchtbare Einsichten und Anregungen. Ist hier doch — bei aller Möglichkeit
von Modifikationen im einzelnen und im Bereich des mehr
Peripheren — die Sprachtheorie auf einen schwer überbietbaren Gipfel
gebracht. Diese Wirkung ist unbestreitbar da, auch dann, wenn der Einfluß
sozusagen latent bleibt und nicht in Zitaten seinen manifesten Ausdruck
findet. Denn das Stich- und Probehaltigste, das Bühler zu sagen
hatte, ist in den gesicherten Fundamentalbestand der Wissenschaft eingegangen
und Allgemeingut derselben geworden. Dieses Anonymwerden
von ergiebigen, neue Wege erschließenden Konzeptionen ist die schönste
Anerkennung, welche die Wissenschaft zu vergeben hat. Aber so vielseitig
Bühlers Mitarbeit an den Problemen der modernen Logik und
Noetik auch war — man sehe einmal daraufhin seine Auseinandersetzung
mit der Logistik an und die hier mehrfach erbrachten Korrekturen
logistischer Doktrinarismen —: sein Hauptanliegen bildeten diese Dinge
nicht. Dieses bestand vielmehr in einem sprachtheoretischen συμριλοσορίν
mit führenden Vertretern der Fachlinguistik (Paul, Brugmann, Kretschmer
und vielen anderen), deren Ergebnisse von der Lautwissenschaft an über
XIgrammatische Morphologie und Syntax bis zur Semasiologie in ein geschlossenes
und geordnetes Gefüge von Fundamentalsätzen über die Struktur
der Sprache weiter- und übergeführt werden. An der Modellsituation
der kommunikativen Sprechhandlung, daß jemand zu einem andern
über etwas spricht, werden die Wesensmomente der Sprache ermittelt.
Der entscheidende Ertrag liegt hier darin, daß die essentiellen Bestimmungen
einer auf das Grundsätzliche ausgerichteten Sprachtheorie an der
linguistischen Realität abgelesen und nicht erst nachträglich am linguistischen
Material exemplifiziert werden. Den Karren der Theorie vor das
Pferd der Tatsachen zu spannen, dieser gar nicht selten anzutreffenden
Neigung hat Bühler niemals nachgegeben. Das gilt für alle Hauptabschnitte
dieses Werks. Die einleitenden Bemerkungen schildern die Forschungssituation
der Sprachtheorie von gestern (d. h. der des 19. Jahrhunderts)
und heute. Der erste Teil entwickelt die Prinzipien der Sprachforschung
und entwirft Idee und Plan einer Axiomatik, die der gegenwärtigen
Forschungslage angemessen ist. Hier findet sich dann der endgültige
Aufbau des sprachlichen Organonmodells, das Bühler in weit zurückreichenden
Studien — so in der wichtigen Abhandlung „Kritische Musterung
der neueren Theorien des Satzes” — vorbereitet hatte. Es folgen
innerhalb dieses Hauptstücks die grundlegenden Ausführungen über
die Zeichennatur der Sprache, wobei sich Bühlers Eigenständigkeit auch
darin bewährt, daß er nicht nur zu originellen Neu-Formulierungen gelangt,
sondern auch bereits bekannte Wesenseinsichten überraschend
neu zu bewerten und sie für bislang nicht gezogene Folgerungen auszunutzen
weiß. Als einziges Beispiel, herausgegriffen aus vielen, die mit
gleicher Beweiskraft zu nennen wären, sei hier die Auseinandersetzung
mit der scholastischen Definition des Zeichens: „stat aliquid pro aliquo”
und der Einbau der letzteren in eine moderne Symboltheorie sowie
die schöpferische und originelle Auswertung der Lehre von den sprachlichen
Suppositionen erwähnt. Ihm gelingen eben auch dort wahrhafte
Entdeckungen an der Sprache, wo er sich an bereits Bekanntes anschließt.
Manches vorher nur Angedeutete oder unklar Geahnte wird* entschieden
herausgearbeitet und dadurch erst in seiner vollen Ergiebigkeit erschlossen,
vorab durch glückliche und prägnante Formulierungen. Zahlreiche
Beweise für diese Behauptung vermöchten die Kapitel II und III zu liefern.
Jenes behandelt das Zeigfeld der Sprache und die Zeigwörter, dieses
ihr Symbolfeld und die Nennwörter. Daß die Sprachworte sowohl zeigen
als auch nennen, wußte man seit den griechischen Grammatikern,
und doch ist Bühler der erste, der durch seine Theorie der Deixis-Formen
eine vollständige Morphologie des sprachlichen Zeigens — „demonstratio
ad oculos”, „anaphorisches Zeigen” und „Deixis am Phantasma”
— entwickelt hat. Die letzte Konzeption hat sich als besonders fruchtbar
erwiesen: es handelt sich dabei um den vorgestellten Orientierungsraum,
der von den Partnern einer sprachlichen Verständigung gleicherweise in
Anspruch genommen wird. Im Zusammenhang damit kommt es einerseits
zu sprachphänomenologisch ergiebigen typologischen Scheidungen
— z. B. von „egozentrischem” und „topomnestischem” Zeigen — als
auch zu Entdeckungen im Bereich des Grammatisch-Kategorialen, wofür
der Aufweis einer eigenen Wortklasse der „Prodemonstrativa” einen
XIIBeleg liefert. Das Kapitel über das Symbolfeld beginnt mit Ausführungen
über das sprachliche „Umfeld”. Jede Sprachäußerung ist eingebettet
in eine Situation und einen (gedanklichen) Kontext; beides vermag Verständigungshilfen
zu liefern. In bezug darauf wird die Scheidung von
„sympraktischem” (empraktischem), „symphysischem” und „synsemantischem”
Umfeld ergiebig. Die im Rahmen des ersten Aspekts vollzogene
Erörterung des empraktischen Redens erweist sich dank der hier
aufgebotenen Argumentationsweise als erstaunlich erhellend für eine
sachgerechte Beschreibung fein differenzierter Wesensmomente am sprachlichen
Verständigungsvorgang und ist eben damit geeignet, für umstrittene
linguistische Probleme — etwa das des „elliptischen” Redens — eine
bestandfähige Lösung zu finden. Mit dem Bühlerschen Feldbegriff ist eine
Konzeption geschaffen, die sich in verschiedenen Bereichen des Sprachlichen
als nützlich und leistungsfähig erweist. Die Sprache bildet die Gegenstände
und Sachverhalte, die sie darstellt, nicht ab: sie malt nicht,
nicht einmal in dem Ausmaß, wie das den menschlichen Stimmitteln
eventuell noch zugänglich wäre, sondern sie symbolisiert. Ihre Nennwörter
sind Gegenstandssymbole. Aber diese bedürfen eines Umfelds, in welchem
sie angeordnet werden. Eben dieses ist das neben das Zeigfeld tretende
Symbolfeld der Sprache. Es erfüllt seine wichtigste Aufgabe durch eine
allgemeinere und schärfere Erfassung der zwischen dem syntaktischen
und lexikalischen Wirkungsfaktor bestehenden Relation. Diese beiden
korrelativen Momente hat man früher vielfach wie Form und Stoff einander
gegenübergestellt, bleibt dabei jedoch zumeist in einer aristotelischen
Denkweise befangen. Heute aber hat die Psychologie im Zuge
ihrer Denkuntersuchungen und ihrer Erörterungen der Gestalt-Thematik
das Form-Stoff-Problem neu durchgedacht; daraus erwächst einer modernen
Sprachtheorie die Aufgabe, diesen Gewinn für ihre Zwecke zu nutzen.
An dieser Stelle wird übrigens auch das Verhältnis der Sprachtheorie zur
Psychologie deutlich. Daß sie etwas anderes ist als eine Psychologie der
Sprache, wurde bereits gesagt, aber sie ist geleitet von dem Bestreben,
die entscheidenden Ergebnisse der Psychologie in den Dienst der Bewältigung
von sprachtheoretischen Aufgaben zu stellen. Von hier aus ergibt
sich ferner eine produktive Kritik gewisser Forschungsansätze, welche
partiell Richtiges zur alleinigen Wahrheit verabsolutieren möchten: so
etwa der Lautbedeutungslehre und der Sprachphysiognomik (H. Werner).
In der Sprache gibt es neben Zeig- und Symbolfeld kein eigenes „Malfeld”;
die in ihr vorkommenden Malfleckchen (z. B. die Onomatopoetica
als malende Lautcharakteristika) sind unbeschadet ihrer genetischen
Bedeutung in der entwickelten Sprache isolierte Phänomene, die sich
keiner kohärenten Ordnung einfügen. — Besondere Bedeutung für den
Linguisten hat das letzte Hauptstück: „Aufbau der menschlichen Rede:
Elemente und Komposition”, weil hier Bühlers objektive Sprachbetrachtung
auf ihren Gipfel gelangt. Die Erörterungen greifen hier erstaunlich
weit aus: in den Abschnitten über die Stoff bedingte Gestaltung des Lautstroms
der Rede beginnen sie mit einer Analyse der Artikulationsmotorik
und enden nach wertvollen und wichtigen Beiträgen zur grammatischen
Morphologie bei einer Darstellung der syntaktischen Probleme.
Als Beispiel dafür, daß auch der empirischeste Linguist aus zahlreichen
XIIIDarlegungen Bühlers in diesem Abschnitt für seine eigensten Anliegen
mannigfachen Gewinn ziehen könnte, sei hervorgehoben, daß eine im
Sinne von Lautphysik und -physiologie betriebene Experimentalphonetik
durch Bühlers Nachweis des ballistischen Charakters der Artikulationsbewegungen
zu profitieren vermöchte. Die Grammatik — wohlgemerkt,
die empirische — kann aus Bühlers Darlegungen über den Artikel,
die Und-Verbindungen, die Wortzusammensetzung (das Kompositum)
wertvolle Anregungen entnehmen, und zwar für ihre eigensten
Anliegen. Vor allen aber werden hier die Ausführungen über die Syntax,
insbesondere der Schlußabschnitt über „die Formenwelt der Satzgefüge”
von Bedeutung. Hier werden u. a. die Verfahrensweisen der parataktisch
lapidaren und der hypotaktisch-polyarthrischen Satzgestaltung durch
vergleichende Gegenüberstellung eines ägyptischen Textes aus der Sinuhe-Geschichte
und einer hochgetürmten Periode aus Thukydides herausgearbeitet,
was zu Einblicken in die ägyptische und griechische Kulturseele
führt und einer Lehre von den typischen Denkformen Förderungen vermitteln
könnte. Das Ganze gipfelt in einer syntaktischen Typenlehre,
die gleichfalls nicht materialfremd deduziert, sondern am linguistischen
Bestand abgelesen ist. Auch hier kommt es mehrfach zu glücklichen und
erhellenden Begriffsprägungen: erwähnt sei die Gegenüberstellung von
„Symphyse” (Verwachsung) und syntaktischem „Gelenk”. Die hier
reichlich ausgestreuten Anregungen sind nicht ohne Breiten- und Tiefenwirkung
geblieben, sie haben solche auch dort ausgeübt, wo dies
unterschwellig blieb und Bühlers Name nicht oder nur beiher erwähnt
wurde. Wenn H. Brinkmann in seiner Strukturanalyse des deutschen Satzes
von einem syntaktischen „Zeigfeld” spricht, so steht er mit der Verwendung
dieser heuristisch wie systematisch gleicherweise ergiebigen Konzeption
kenntlich unter der Einwirkung Bühlers, desgleichen wenn
er sich dessen Hinweis zunutze macht, daß Wörter einer bestimmten Wortklasse
Leerstellen um sich eröffnen können, die von Wörtern anderer
Wortklassen zu besetzen sind.

Bühlers Werk hat einen vielbesagenden, für seine Thematik aufschlußreichen
Untertitel: „Die Darstellungsfunktion der Sprache.” Er sieht das
Entscheidende an der Sprache darin, daß sie ein System darstellender
Zeichen ist. Das ist und bleibt richtig, nur sehen wir heute die Darstellung
nicht als eine Funktion und Leistung der Sprache neben den anderen
der Kundgabe (des Ausdrucks) und der Auslösung (des Appells) an,
sondern als das Essentielle an der Sprache, als ihr zentrales Wesensmoment,
das hinter sämtlichen ihrer Leistungen steht und diese allererst
ermöglicht. Auch H. Dempe faßt die Darstellung als Wesens-, nicht
als Leistungsmoment der Sprache, wenn er sie definiert als die Darstellung
intentionaler Sinngebilde. Aber damit ist nur etwas verdeutlichend aufgegriffen
und weitergeführt, was bei Bühler selbst schon vorgeformt oder
zumindest nahegelegt ist, wenn er die Darstellung nicht als eine den übrigen
Sprachfunktionen des Organonmodells koordinierte Leistung diesen
einfach anreiht, sondern ihr eine entscheidende Auszeichnung zuteilwerden
läßt, indem er von einer „Dominanz der Darstellungsfunktion”
redet. Es spricht für den Spürsinn Bühlers in bezug auf das Wesentliche
an der Sprache, daß er sich — ohne von seinen Vorgängern zu wissen —
XIVmit seiner Konzeption der „Darstellung” auf Pfaden bewegt, die schon
vor ihm als zum essentiellen Kernstück der Sprache als symbolischer Form
führend erkannt worden waren. Der romantische Sprachphilosoph A. F.
Bernhardi deutet in seiner „Sprachlehre” Ähnliches zumindest an, und
in unseren Tagen hat der bedeutende Indogermanist W. Porzig in seinem
Buch „Das Wunder der Sprache” — er wandelt übrigens mehrfach auf Bühlerschen
Pfaden und verhehlt das auch in keiner Weise — den Nachweis
geführt, daß bereits Protagoras eine Vierfunktionenlehre der Sprache entwickelt
hat, indem er als „Eckpfeiler der Rede” (πυϑμένες λόγων) neben έντολή
(Auftrag, Befehl) die ενχωλή (frei als Ausruf oder Ausdruck zu übersetzen),
die έρώτησις (Frage) und als besonders wichtiges Moment die άπόκρισις
(Antwort, Bescheid, Aussage) gestellt hat.

Damit ist zugleich eine wichtige Vervollständigung des Organonmodells
erbracht, indem als vierte Elementar- und Fundamentalfunktion, die
irreduzibel neben den auch bei Bühler genannten steht, die Frage angeführt
wird. Bühlers bahnbrechende Arbeit über den Satz hatte mit
der bündigen Feststellung begonnen: „Dreifach ist die Leistung der
menschlichen Sprache, Kundgabe, Auslösung und Darstellung.” Die
„Sprachtheorie” bringt demgegenüber nur terminologische Verbesserungen,
indem statt Kundgabe „Ausdruck”, statt Auslösung „Appell”
gesagt wird; die Frage erscheint nicht als selbständige Sprachfunktion,
sondern wird als Appell um Auskunft der zweiten Funktion untergeordnet.
Heute wird man nach den Feststellungen von A. H. Gardiner
(„Theory of Speech and Language”), G. Révész („Ursprung und Vorgeschichte
der Sprache”) und vor allem nach dem wichtigen Buch von E. Hermann
(„Probleme der Frage”) die „Frage” nicht mehr aus dem Gefüge der
Sprachleistungen ausschließen können, und so habe ich denn in den
späteren Bänden meiner „Psychologie der Sprache” unter Aufgriff eines
terminologischen Vorschlages von G. Révész, aber unter Korrektur seiner
Einseitigkeiten — er wollte den des kommunikativen Ertrags entbehrenden
„Ausdruck” aus dem System der Sprachfunktionen ausschließen
— den Entwurf eines Organonmodells vorgelegt, das vier „I-Funktionen”
enthält: die interjektive (Ausdruck, Kundgabe), die imperative
(Auslösung, Appell), die indikativ-informierende (Bericht) und die
interrogative (Frage). Ich habe es ferner als klärend empfunden, die Termini
„Ausdruck” und „Kundgabe” nicht als äquivoke Wechselbegriffe
zu verwenden, sondern hier eine sachdienliche Scheidung anzubringen,
indem der Ausdruck als die monologische Form der interjektiven
Sprachfunktion, die Kundgabe als die dialogische bezeichnet wird. Die
„Darstellung” bildet hier keine Funktion oder Leistung der Sprache,
sondern steht als ihr zentrales und konstitutives Wesensmoment, eben
als das Essentielle aller sprachlichen Symbolik, gleicherweise hinter oder
vor sämtlichen Sprachfunktionen, weil ja auch Ausdruck, Kundgabe, Appell
und Frage etwas nennen und angeben, somit darstellen. Noch eine
weitere kleine Korrektur ist angesichts der jüngsten Forschungslage nötig
geworden. Auf S. 28 der „Sprachtheorie” bringt Bühler eine graphische
Darstellung des Organonmodells. Sie hat Berühmtheit erlangt, weil sie
die semantischen Funktionen des (komplexen) Sprachzeichens in knapper
Übersichtlichkeit illustriert. Das Sprachzeichen ist Symbol kraft
XVseiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Symptom (Anzeichen,
Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit
es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres
oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen. Dagegen
wird heute eingewendet, daß sich die Sprachzeichen nicht primär auf die
Gegenstände und Sachverhalte der Wirklichkeit beziehen, sondern auf
unser auffassungs- und denkmäßig bearbeitetes Bild von ihnen, wobei an
dieser geistigen Bearbeitung die Sprache als Denkform und präformierte
Weltsicht selbst wieder entscheidend beteiligt ist. Auf diesen Kreisprozeß
verweist vor allem die hermeneutische Logik eines H. Lipps, der die
„Verbindlichkeit der Sprache” darin erblickt, daß der einzelne Sprecher befangen
bleibe in dem, was im Vokabularen Bestand seiner Sprache als begriffen
enthalten ist, das gleiche tut die „Theoretische Anthropologie” eines
A. Dempf, wo sich der Satz findet: „Nihil est in verbo quod non prius fuerit
in phantasia”, und ebenso argumentiert der Neo-Humboldtianismus
unserer Tage, wie er in der sprachlichen Weltbildforschung L. Weisgerbers
und der „inhaltsbezogenen Sprachforschung” H. Gippers zur Geltung
kommt. Aber bei näherem Zusehen zeigt sich, daß Bühler selbst die Brükke
zu diesen Positionen geschlagen hat, indem er in den Ausführungen
der angezogenen Stelle darauf verweist, „daß das sinnlich Gegebene stets
eine apperzeptive Ergänzung erfährt”. Somit sei ausdrücklich vermerkt,
daß auch diese wenigen, zudem nicht schwer ins Gewicht fallenden Korrekturen,
die angesichts der gegenwärtigen Forschungssituation nötig
geworden sind, großenteils mit Bühlerschen Denkmitteln erarbeitet wurden.
Die Verbesserer stehen auf den Schultern Bühlers, indem sie ihre
Ergänzungen und Weiterführungen mit Hilfe von Einsichten vollbringen,
die aus seinen Arbeiten selbst zu gewinnen waren oder dort zumindest
angedeutet sind. Zudem steht neben diesen kleinen Retuschen,
der unvergleichlich größere Bestand an Einsichten, die ihre volle und
uneingeschränkte Gültigkeit bewahrt haben.

Auch das Verhältnis der „Sprachtheorie” zu neuesten Forschungsrichtungen
läßt erkennen, daß das Werk seine Geltung als Standardleistung
mit Erfolg behaupten konnte. Daß die Phonologie seit ihrem
Initiator Trubetzkoy die ihr von Bühler zuteilgewordene Hilfe dankbar
anerkannt hat, nimmt nicht wunder. Aber auch der Strukturalismus
unserer Tage vermöchte das meiste der grundsätzlichen Feststellungen
Bühlers zu übernehmen und in das Gefüge seiner Forschungsaspekte
einzubauen, was denn auch vielfach geschehen ist. Das nämliche gilt von
den zwischen Linguistik und Sprachphilosophie stehenden Arbeiten E.
Ottos. Aber auch der Gegensatz zur Weltbild- und Denkformenforschung
sowie zur Sprachinhaltsforschung ist lange nicht so tiefgreifend, wie es
einem flüchtigen Blick zunächst vielleicht erscheinen mag. In der Festschrift
für L. Weisgerber finden sich gleich eingangs die mit programmatischem
Nachdruck formulierten Sätze: „Sprache — Schlüssel zur Welt,
und nicht bloßes Mittel der Verständigung, Muttersprache — Prozeß des
Wortens der Welt durch eine Sprachgemeinschaft, und nicht nur Mittel
der Rede mit Appell-, Ausdrucks- und Darstellungsfunktion.” Das ist
eine deutliche Spitze gegen Bühler und die auf seinen Spuren Wandelnden.
Wir bemerken dazu, daß diese Thesen sicher richtig sind, daß aber
XVIauch Bühler selbst das niemals bestritten hätte, wie er denn keinen Satz
geschrieben hat, der Gegenteiliges enthielte. Auch wir sind der Ansicht, daß
die Sprache tatsächlich entscheidend mehr ist als ein Gefüge von Verkehrszeichen,
als ein Informations-, Kommunikations- und Kooperationsmittel:
sie ist allumfassendes Kulturorganon und geistiger Lebensraum
der Völker, die eine bestimmte Sprache tragen und verwenden.
Kultur ist Formung des Lebens durch den Geist, und dieser Geist der
kulturschaffenden Menschengemeinschaften ist in ihren Sprachen fixiert
und ist im Lauf der Jahrtausende von diesen mitgeformt worden. Aber
diese höheren Kulturleistungen sowie ihre Rolle als präformierte Weltanschauung,
Wirklichkeitsauffassung und -deutung vermag die Sprache
nur dadurch zu erbringen, daß sie im zwischenmenschlichen Kontakt
wie in der stillen Geistesarbeit des einsamen Denkers jene Leistungen
vollzieht, die im System ihrer dia- und monologischen Funktionen aufgezählt
sind und die theoretisch bestimmt und geklärt sein müssen, ehe
der höhere Auftrag der Sprache erörtert und angemessen bearbeitet
werden kann. Dabei ist es ein durchaus zu rechtfertigendes Unterfangen,
den Blick zunächst einmal auf die vorgeordneten Leistungen zu lenken,
die alles Höhere fundieren. Zweifellos ist das aus Wasser bestehende Meer
der Lebensraum mancher Völker, ihr Tor zur Welt, Ursache und Grund
des Geltungs- und Herrschaftsanspruchs großer, geschichtsmächtiger Staaten.
Damit wird jedoch dem Chemiker nicht das Recht genommen und
bestritten, es als H2O zu bestimmen. Aber das ist auch bei Bühler gar
nicht das letzte Wort. Vielmehr fehlt es an Stellen und Berührungspunkten
keineswegs, wo er den Zielsetzungen einer durch die Erforschung
sprachlicher Nationalstile befruchteten Typologie der Formen des Weltauffassens
sehr nahekommt. Solche Untersuchungen erscheinen ihm sogar
als durchaus mögliche Aufgabe der Sprachbetrachtung, die sich in seine
Analyse der sprachlichen Symbolfelder einbauen ließe. Er selbst hat derartiges
versucht und deutet es in den aphoristischen Ausführungen an,
daß die Eskimosprachen als weitgehend impressionistisch mit den Bantusprachen
als weitgehend kategorial und das Chinesische mit seiner bekannten
Vorliebe für das Dinglich-Individuelle mit den indogermanischen
Sprachen, die sami und sonders das Universale als etwas Zeigbares behandeln,
kontrastiert werden können. Das ist freilich kaum mehr als ein
Hinweis, aber schon als solcher bedeutsam, weil er dartut, daß Bühler
diese Dinge wichtig nahm. Ebenso deckt sich das von ihm über das Aktionsschema
oder Handlungsklischee der indogermanischen Sprachen Gesagte
weitestgehend, ja völlig mit den Bestimmungen über das „agens-actio”-Schema,
mit dem andere Richtungen der Sprachbetrachtung das Vorgehen
dieser Sprachen schildern, in denen selbst passive Widerfahrnisse und
bare Zuständlichkeiten als zielstrebig durchgeführte Willenshandlungen
aktiver Kraftzentren geschildert werden. Der Unterschied zwischen dem
bei Bühler bloß Angedeuteten, seitens der Sprachinhaltsforschung dagegen
explizite Durchgeführten ist weniger prinzipieller als quantitativer
Natur, somit kaum mehr als eine Verlagerung des Beachtungsakzents.

Was Bühler in der „Sprachtheorie” vorträgt, ist in der schlüssigen
und überzeugenden Art der Formulierung und selbstverständlich in
jedem einzelnen Gedankengang sein geistiges Eigentum und seine originelle
XVIIschöpferische Leistung. Aber zu Zwecken der Materialgewinnung
hat er mit großem organisatorischem Geschick ein „team-work” ins
Leben gerufen, in welchem die Forschungsarbeit jüngerer Fachgenossen,
Assistenten und Doktoranden zielbewußt eingesetzt wurde, nachdem
sie vorher von ihm die entscheidenden methodisch-thematischen Instradierungen
erhalten hatte. Darin spiegelt sich auch die Struktur des von
ihm aufgebauten Psychologischen Instituts, das Bühler im Zusammenwirken
mit seiner Gattin, der unbestritten führenden Kinder- und Jugendpsychologin,
zu einer wahren Magnetlehrkanzel ausgestaltet hatte,
an der sich nicht nur eine große Zahl von Hörern aus allen Erdteilen eingefunden
hatte, sondern die auch reife Gelehrte anzog, die oft längere
Zeit an diesem Institut zubrachten und an seiner Forschungstätigkeit
teilnahmen. Bühlers wissenschaftliches Organisationstalent ist bekannt;
hier sei es nur insofern erwähnt, als es der Theorie der Sprache, die Bühler
von Anfang an als „unitas multiplex”, als aufgegliedertes und wohlgeordnetes
Forschungsgefüge verstanden hatte, zugute gekommen ist. Eine
solche Heerschau der daran interessierten Gelehrten bot der von Bühler
ins Leben gerufene und zu vollem Erfolg geführte „Hamburger
Sprachtag”. Im Rahmen dieser illustren Veranstaltung sprach N. Ach
über Fragen der Sprachpsychologie. E. Cassirer über ein die Gegenwartsforschung
sehr bewegendes sprachphilosophisches Thema („Die Sprache
und der Aufbau der Gegenstandswelt”), mit welchem er die Verbindung
zu der von Humboldt ausgehenden sprachlichen Denkformen- und Weltbildforschung
herstellte. Hier kamen ferner führende Sprachpathologen
und Aphasieforscher ebenso zu Wort wie Sprachsoziologen, die das Thema
„Sprache und Gemeinschaft” behandelten. Das sei an dieser Stelle
ausdrücklich erwähnt und festgehalten, weil eben damit dargetan wird,
daß Bühler auch für solche Forschungsrichtungen und Themenaspekte
innerhalb der Sprachtheorie lebendige Aufgeschlossenheit zeigte, denen
er in seiner eigenen Arbeit keine gesonderte Pflege zuteil werden ließ,
aus dem einfachen Grunde, weil eben ein einzelner nicht alles machen
und sich nicht für jede Aufgabe gerüstet fühlen kann. Bühler selbst
steuerte zu diesem Symposion einen programmatischen Vortrag bei:
„Das Ganze der Sprachtheorie und ihre Teile”, einen sehr klaren Gesamtaufriß
der sprachtheoretischen Problematik, in welchem an dem
Themen-Kosmos „Sprache” die einzelnen Fragen-Aspekte aufgewiesen
wurden, die geeignet sind, innerhalb des Gesamtsystems der Sprachtheorie
relativ selbständige Partialdisziplinen zu thematisieren. Denn niemand
sah deutlicher als gerade er, daß die Sprache ein wahres Universum von
Problemen bildet, das zu seiner Erschließung mannigfacher Arbeitsrichtungen
bedarf und über das von verschiedenen Gesichtspunkten aus
notwendige und sinnvolle Aussagen zu machen sind. Was der Makrokosmos
dieses Sprachtags an theoretischen Anregungen und Potentialitäten
bietet, das enthalt die durch das nämliche Streben nach geordneter
und vereinheitlichter Vielseitigkeit organisierte „Sprachtheorie” als lebendige
Forschungsaktualität. Bühler war Psychologe, Mediziner, Logiker
von Format, dazu — ohne Sprachwissenschafter von Beruf zu sein —
eminent linguistisch gebildet; er brachte also selbst das Entscheidende
mit, was zur Abfassung einer tief gründenden und weit ausgreifenden
XVIIITheorie der Sprache erforderlich ist. Dabei aber ließ er es nicht bewenden.
Sein Streben nach Sachangemessenheit und die hohen Forderungen, die
er in bezug darauf an sich selbst stellte, bewogen ihn, an bestimmten
Stellen die Arbeitserfahrungen von Spezialisten einzusetzen, deren sich
an seinem Institut zahlreiche eingefunden hatten, wofür etwa die
Sprachwissenschafter Locker und Sonneck als Beispiele genannt seien.
Manchmal mußte eine speziell zu einem bestimmten Zweck von Bühler
angeregte Doktorarbeit das Material liefern: ein Beleg ist etwa J. Klanfers
Arbeit über die Theorie der heraldischen Zeichen. Noch ein Wort über
den Stil dieses Buches. Wir finden hier — natürlich mutatis mutandis, weil
eben nach F. Th. Vischer eine „Schreibe” keine Rede ist und sein darf —
die Vortrags- und Fonnuherungskunst des glänzenden und faszinierenden
Katheder-Redners, der Bühler als akademischer Lehrer war. Profunde
Stoffbeherrschung wirkt sich hier in einer souveränen Form der
Darstellung aus, im Vortrag selbst bringt sich hier ein weltmännisch-konziliantes
Wesen zur Geltung, dazu eine soziable, durchaus umweltkohärente
Art, die den Leser direkt anspricht und auch bei schwierigen Erörterungen
ihn niemals aus dem Bann entläßt. Nichts ist hier mehr vermieden
als trockene Abstraktheit, vielmehr ist das tiefgründige Sachwissen
eingegangen in eine lebendige und sehr persönliche Art der Darstellung.
Mit all dem ist die „Sprachtheorie” ein Buch, wie es im Fachschrifttum
nicht oft angetroffen wird, ein Meisterwerk in bezug auf
Gehalt und Gestalt. Die weitaus überwiegende Zahl der Erkenntnisse,
welche diese profunde Axiomatik der Sprachwissenschaft enthält, hat
heute noch ebenso Bestand wie zur Zeit ihres Erscheinens, und an den
wenigen Stellen, wo die spätere Forschung über sie hinausgegangen ist,
hat sie selbst die Materialien zum Gewinn des Neuen geliefert. Die
Wissenschaft kennt keine Statik: die Ermittlung von Aussagen, die auf
das Wertprädikat der Wahrheit Anspruch erheben können, ist ein dialektischer,
ein dynamisch — energetischer Prozeß, wobei auch die widerlegte
Ansicht an den später erarbeiteten zutreffenderen Thesen entscheidend
und notwendig beteiligt war. Und so ist das hiermit neu aufgelegte
Werk heute genauso aktuell und lebendig wie zur Zeit seines ersten Erscheinens,
weil es nicht für den Tag, .sondern für die Zukunft geschrieben
wurde.

F. KainzXIX